
Wer die österreichische Staatsbürgerschaft beantragt, hört oft von der wichtigen Zwei-Jahres-Frist für neue österreichische Staatsbürger. Doch was bedeutet diese Regelung genau und warum ist sie so entscheidend für den Einbürgerungsprozess?
Der Weg zur österreichischen Staatsbürgerschaft
Österreich gehört zu den europäischen Ländern mit den strengsten Einbürgerungsbestimmungen. Normalerweise müssen Sie zehn Jahre lang ununterbrochen in Österreich leben, bevor Sie sich einbürgern lassen können. Unter bestimmten Umständen verkürzt sich diese Zeit jedoch auf sechs Jahre – beispielsweise wenn Sie mit einem österreichischen Staatsbürger verheiratet sind oder außergewöhnliche Integrationsleistungen nachweisen können.
Der Antragsprozess selbst ist sehr aufwendig. Zunächst müssen Sie umfangreiche Dokumente zusammenstellen. Danach folgen Vorsprachen bei den Behörden und Sie müssen eine Staatsbürgerschaftsprüfung bestehen. Diese Prüfung findet auf Deutsch statt und testet Ihr Wissen über österreichische Geschichte, Kultur und das demokratische System. Auf dieser Website können Sie für diesen Test so viel üben, wie Sie wollen.
Statistics Austria verzeichnete 2024 insgesamt 21.891 Einbürgerungen. Das entspricht einem Anstieg von 9,8% gegenüber dem Vorjahr.
Beispiele aus der österreichischen Praxis
Nehmen wir einen Ingenieur aus Bosnien, der 2014 nach Wien kam, um bei einer internationalen Organisation zu arbeiten. Nach zehn Jahren Aufenthalt beantragte er 2024 die österreichische Staatsbürgerschaft. Nachdem er die B2-Deutschprüfung bestanden und die Staatsbürgerschaftsprüfung erfolgreich absolviert hatte, erhielt er Ende 2024 seine Zusicherung. Ab diesem Moment begann die entscheidende Zwei-Jahres-Frist, in der er seine bosnische Staatsbürgerschaft ablegen muss.
Anders verhält es sich bei Nachkommen von Holocaust-Opfern und NS-Verfolgten. Seit September 2020 können diese Personen nach § 58c des Staatsbürgerschaftsgesetzes die österreichische Staatsbürgerschaft durch Anzeige erwerben, ohne ihre bisherige Staatsangehörigkeit aufgeben zu müssen – eine seltene Ausnahme vom österreichischen Prinzip der Einstaatigkeit.
Die entscheidende Zwei-Jahres-Frist
Das Herzstück der österreichischen Einbürgerungsbestimmungen bildet die Zwei-Jahres-Regelung. Wer durch Verleihung österreichischer Staatsbürger wird, muss innerhalb von zwei Jahren seine bisherige Staatsangehörigkeit ablegen. Diese Frist beginnt nicht erst mit der endgültigen Verleihung, sondern bereits mit der Zusicherung.
Warum gibt es diese Regelung? Internationale Verträge verhindern Staatenlosigkeit. Das bedeutet: Sie können nicht einfach Ihre bisherige Staatsbürgerschaft aufgeben und dann hoffen, die österreichische zu bekommen. Daher gewährt Österreich eine zweijährige Übergangszeit. In dieser Zeit bleiben Sie österreichischer Staatsbürger, müssen aber aktiv an der Aufgabe Ihrer früheren Staatsangehörigkeit arbeiten.
Nach Ablauf der zwei Jahre müssen Sie der österreichischen Regierung den offiziellen Nachweis vorlegen, dass Sie Ihre andere Staatsbürgerschaft abgelegt haben. Erst dann wird Ihre österreichische Staatsbürgerschaft endgültig bestätigt.
Die Folgen bei Nichteinhaltung
Die Bedeutung dieser Frist kann nicht überschätzt werden. Wer seine frühere Staatsbürgerschaft nicht innerhalb von zwei Jahren ablegt, obwohl er dazu verpflichtet ist, riskiert den Verlust der österreichischen Staatsangehörigkeit. Dies ist einer von nur sechs Gründen, die zum Entzug der österreichischen Staatsbürgerschaft führen können. Die anderen fünf sind: freiwilliger Erwerb einer fremden Staatsangehörigkeit, Dienst in einem ausländischen Heer, Terrorismus-Verurteilungen, Beteiligung an bewaffneten Konflikten im Ausland und erhebliche Schädigung der österreichischen Interessen.
Ausnahmen und besondere Umstände
Nicht immer lässt sich die bisherige Staatsbürgerschaft problemlos ablegen. Die Landesregierungen prüfen dabei, ob die Aufgabe möglich und zumutbar ist.
Zum Beispiel können Bürger von Ländern wie Marokko, wo eine Entlassung gesetzlich verboten ist, Ausnahmen erhalten. Ebenso erhalten Personen besondere Berücksichtigung, wenn sie schwerwiegende diplomatische Konsequenzen oder den Verlust von Erbrechten in ihrem Herkunftsland befürchten müssen. Ein besonders aktuelles Beispiel betrifft ukrainische Staatsbürger, die während des Kriegsrechts ihre ukrainische Staatsbürgerschaft nicht ablegen können, da die Ukraine solche Verfahren für die Dauer des Konflikts ausgesetzt hat. Die österreichischen Behörden erkennen dies als außergewöhnlichen Umstand an, der außerhalb der Kontrolle des Einzelnen liegt, und zeigen daher Flexibilität bei der Anwendung der Zwei-Jahres-Regel.
Die praktische Umsetzung unterscheidet sich zwischen Österreichs neun Bundesländern. In Wien, wo die meisten Einbürgerungen stattfinden, bearbeitet die Magistratsabteilung 35 (MA35) diese Entscheidungen. Wien verzeichnet konstant die höchste Anzahl an Einbürgerungen in Österreich.
Aktuelle Entwicklungen und Reformen
Viele Österreicher fordern eine Reform des Staatsbürgerschaftsrechts. Initiativen wie doppelstaatsbuerger.at und beibehalte.at setzen sich für transparentere Richtlinien und die Anerkennung von Familienbanden in Österreich ein. Jedoch zeigen aktuelle Umfragen, dass drei Viertel der Österreicher die geltenden Bestimmungen beibehalten möchten. Zwei Drittel befürworten die zehnjährige Wartezeit für die Staatsbürgerschaft.
Der Europäische Gerichtshof hat sich ebenfalls zu österreichischen Praktiken geäußert. Im wegweisenden Fall JY gegen Wiener Landesregierung (C‑118/20) entschied der EuGH, dass geringfügige Verkehrsdelikte nicht den dauerhaften Verlust der EU-Bürgerschaft rechtfertigen können, wodurch eine Person staatenlos würde.
Statistische Trends und internationaler Vergleich
Bei den 2024 eingebürgerten Personen blieb Israel das Hauptherkunftsland (22,8%), gefolgt von den Vereinigten Staaten (8,2%) und dem Vereinigten Königreich (3,5%). Bei den bereits in Österreich lebenden Bewohnern stellten Syrer die größte Gruppe der Neueingebürgerten (11,1%).
Der Anstieg der Einbürgerungszahlen spiegelt mehrere Faktoren wider, darunter eine Steigerung der Einbürgerungen von NS-Verfolgungsopfern und deren Nachkommen um 137,9%, die sich 2024 auf 6.105 Personen mehr als verdoppelte.
Fazit
Österreichs Zwei-Jahres-Regel stellt eine sorgfältig ausbalancierte Lösung dar. Sie verhindert einerseits Staatenlosigkeit und wahrt andererseits das Prinzip der Einstaatigkeit. Obwohl Kritiker Reformen fordern, spiegelt das System weiterhin die österreichischen Werte bezüglich Staatsbürgerschaft und nationaler Identität wider.
Für zukünftige Staatsbürger ist das Verständnis dieser Frist entscheidend für eine erfolgreiche Einbürgerung. Die Zeit erfordert aktives Engagement sowohl bei den österreichischen Behörden als auch bei den diplomatischen Vertretungen des Herkunftslandes, um die rechtzeitige Einhaltung der Entlassungsbestimmungen sicherzustellen.
Während Österreich weiterhin mit Fragen der Integration, nationalen Identität und seiner Rolle in der Europäischen Union ringt, bleibt die Zwei-Jahres-Regel ein prägendes Merkmal der österreichischen Staatsbürgerschaftspolitik – ein Zeugnis für die Überzeugung des Landes, dass Staatsbürgerschaft ein eindeutiges Bekenntnis zum österreichischen Staat und seinen demokratischen Werten darstellen sollte.